Das SLEEK Magazin zu Besuch in der Werkstatt für ein Interview

SLEEK: Es ist ein Foto, welches mich auf den Hocker Klaus aufmerksam macht. Mich erinnert der „Klaus“ an die Schemel, mit denen ich aufgewachsen bin. Aber vor allem hat dieser schlichte Hocker mich zu einer Geschichte und einem Projekt von Freunden geführt, die ganz konzentriert an diesem einen Produkt arbeiten. Ich spreche mit Max Stralka und bevor wir loslegen, macht er einen kleinen digitalen Rundgang für mich durch die Tischlerei. Einmal mehr empfindeich eine große Zuneigung, als ich den Karton mit den Stuhlbeinen oder die aneinander gereihten Sitzflächen aus Eichenholz sehe. Dieser schlichte Hocker ist für mich eine Referenz an die Tradition und eine Transformation zugleich und das macht es wirklich emotional.

Zuerst muss ich dich nach der Geschichte hinter dem einen Foto mit dem Mann auf eurem Hocker am Meer fragen.

Max: Ich nehme den Hocker oft einfach mit wenn ich unterwegs bin. Und irgendwie kennen die Leute den Begriff Schemel (Hocker). Vor drei Jahren habe ich den Hocker im Handgepäck mit nach Kopenhagen genommen. Dieses Bild ist entstanden, als wir an einem Wintertag am Öresund standen und ein Däne aus der Sauna kam. Der Freund mit dem ich da war hat ihn dann einfach gefragt, ob er sich mal auf den Hocker setzen würde. Und dann hat dieser Mann sich den Hocker geschnappt und sich direkt ans Wasser gesetzt.

SLEEK: Was ist die Geschichte hinter deinem Hocker?

Max: Nun, viele würden jetzt mit einer großen Story kommen, eine solche passgenaue habe ich nicht. Es ist eher die Geschichte eines sich auf die Suche machen, das Aufbrechen und an einem anderen Punkt starten. Ich fasse das gern für mich selbst als die Suche nach dem Flow-Gefühl zusammen, wohl wissend wie „abgenutzt“ dieses Wort gerade ist. Ich bin jemand, der die kleinen Zufälle wahrnimmt und ihnen offen gegenübertritt.

Alles fing ursprünglich mit einem Geschenk an: Zeit mit dem Tischler Klaus im Modulor am Moritzplatz. Er war so wahnsinnig und bereit, Zeit mit mir zu verbringen. Weil ein einfacher Schemel mir als eine gute Wahl für den Anfang erschien, war das Objekt meiner ersten Versuche abgemacht. Nach drei Monaten hatte ich dann tatsächlich diesen Hocker in der Hand. Dem folgten dann 5 weitere und plötzlich meinten Freunde, sie würden gern einen abkaufen.

Da ich am Anfang ja auch noch meine Arbeit hatte, war dieses Hocker-Ding ein sicherer, anderer Pol. Ich beschäftigte mich dann immer tiefer damit. In diesem Sommer habe ich dann die Entscheidung für den Hocker getroffen und meinen anderen Job aufgegeben. Jetzt verbringe ich 4 Tage die Woche hier in der Tischlerei.

SLEEK: Sich auf wenige Produkte zu beschränken trifft ja gerade auch auf wichtige größere Themen, wie der Konsum der Zukunft, Bewusstheit im Umgang mit dem was wir haben und auch die Frage nach der Gestaltung des eigenen Lebens. Schwingt das bei dir mit?

Max: Claude Debussy hat einmal folgendes gesagt: „Meine Freiheit liegt in der Beschränkung. Welch ein Glück, dass ich nur 88 Tasten am Klavier habe.“ Ich habe verstanden, dass wenn man sich selbst begrenzt, Freiheit entstehen kann. Ich stehe manchmal vor diesem Hocker, mit seinen drei Beinen und der Sitzpfläche und er beschäftigt mich den ganzen Tag. Diese Begrenzung gibt mir selbst eine gewisse Ruhe, Fokussierung und Freiheit. Der Gedanke über weitere Produkte ist (noch) nicht auf dem Plan. Obwohl, der Klaus hat ja das Kläuschen bekommen (lacht). Ich möchte gern weiter in dieser Begrenzung denken.

SLEEK: Und auch die Begrenzung auf Hocker?

Max: Ich möchte tatsächlich nur lehnenlose Sitzmöbel bauen.

SLEEK: Wenn man sich den Klaus Schemel anschaut, animiert er mich in seiner Einfachheit doch sehr auch mal nachzudenken. Das ist merkwürdig, weil es
ja ein einfacher Hocker ist, aber irgendwie stößt er da etwas an in mir.

Max: Interessant, dass du das beschreibst. Tatsächlich höre ich öfter, vor allem von Männern, dass sie so gern alles hinschmeißen würden um selbst mit den Händen was zu erschaffen. Das Glück liegt für mich nicht gezwungenermaßen in dem Einen oder Anderen. Ich denke, man könnte in so einer Tischlerei genauso unglücklich und gestresst sein, wie in einem Büro. Ich kann von mir sagen, dass ich diese Sehnsucht oder das Glück immer dann erlebt habe, wenn ich konzentriert an etwas arbeiten könnte. Was unsere Arbeit heute so anstrengend macht, sind diese ständigen Kontextwechsel im Kopf. Ich bin überzeugt, dass diese häufigen Wechsel in unserem Gehirn enorm viel Energie brauchen. Ich gebe deiner Wahrnehmung recht, dass Klaus diese Wünsche nach dem schöpferischen Gefühl in uns auslöst, weil viele gute Erinnerungen bei Erlebnissen mit handwerklichen Dingen gemacht haben.

SLEEK: Mit vielen Hockern lebst du?

Max: [Lacht] Mindestens einen in jedem Raum. Man baut das perfekte Produkt ja nicht am ersten Tag. Am Anfang habe ich das falsche Holz ausgewählt oder die Beine hatten nicht den richtigen Winkel. Auf dem Weg sind also Hocker entstanden, die ich so nicht verkaufen möchte, die aber zu meiner Geschichte gehören und die sind alle bei mir zu Hause. Einer steht bei mir als Test auf dem Balkon um zu sehen, wie das Holz auf das Wetter reagiert. Ich gebe auf jeden Hocker 10 Jahre Garantie und der Hocker entwickelt sich ja immer weiter.

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Das im Magazin veröffentlichte Interview auf Englisch gibt es hier auf der Webseite von SLEEK.